1. Aussage gegen Aussage im Strafrecht

Die Situation „Aussage gegen Aussage“ gehört zu den häufigsten und zugleich schwierigsten Konstellationen im Strafrecht. Besonders bei Vorwürfen wie Körperverletzung, Sexualdelikten oder Bedrohung stützt sich die Anklage oft ausschließlich auf die Aussage eines Zeugen oder des vermeintlichen Opfers. Für Betroffene bedeutet das: Plötzlich steht man einer schweren Beschuldigung gegenüber, ohne dass objektive Beweise wie Fotos, Videos oder Zeugen vorhanden sind.

 

2. Rechtlicher Hintergrund

a) Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO)

Nach § 261 StPO entscheidet das Gericht nach seiner „freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung“. Das bedeutet: Es gibt keine festen Beweisregeln. Auch eine einzelne Zeugenaussage kann für eine Verurteilung ausreichen.

b) In-dubio-pro-reo-Grundsatz

Ebenso wichtig ist der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ (Art. 103 Abs. 2 GG, § 261 StPO). Das Gericht darf eine Person nicht verurteilen, wenn nach der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel bestehen bleiben. Gerade bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen spielt dieser Grundsatz eine zentrale Rolle.

c) Beweiswürdigung durch Glaubhaftigkeitsprüfung

Gerichte prüfen die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Kriterien sind unter anderem:

  • innere Widerspruchsfreiheit,

  • Detailreichtum,

  • Konstanz über mehrere Vernehmungen hinweg,

  • Plausibilität im Lichte der Lebenserfahrung.

 

3. Typische Mandantensituationen

a) Körperverletzung ohne neutrale Zeugen

Zwei Beteiligte geraten in Streit, am Ende steht die Aussage des einen gegen die des anderen. Objektive Spuren fehlen.

b) Sexualstrafrecht

Besonders häufig tritt die Konstellation im Sexualstrafrecht auf. Ein angebliches Opfer schildert einen Übergriff, während der Beschuldigte den Vorwurf bestreitet.

c) Familiäre Konflikte

Auch im Umfeld von Trennung und Scheidung kommt es vor, dass Vorwürfe wie Bedrohung oder Misshandlung im Raum stehen. Hier spielt manchmal auch ein taktisches Moment im familienrechtlichen Kontext mit.

 

4. Verteidigungsansätze bei Aussage gegen Aussage

a) Sorgfältige Aktenanalyse

Der Strafverteidiger prüft die Ermittlungsakte: Gibt es Widersprüche zwischen verschiedenen Aussagen? Gab es suggestive Befragungen? Liegen Gedächtnislücken vor?

b) Glaubhaftigkeitsgutachten

In komplexen Fällen beauftragt das Gericht häufig psychologische Sachverständige, die die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen. Der Verteidiger sollte gezielt darauf hinwirken, methodische Fehler aufzudecken.

c) Herausarbeiten von Alternativszenarien

Oft ist es möglich darzustellen, dass die Aussage des Belastungszeugen auch anders erklärt werden kann, etwa durch Missverständnisse, Eigeninteressen oder Erinnerungslücken.

d) Vorbereitung der eigenen Einlassung

Ob und wie der Beschuldigte selbst aussagt, ist eine zentrale strategische Entscheidung. Ein erfahrener Rechtsanwalt wird hier sorgfältig abwägen.

 

5. Fehler, die Beschuldigte unbedingt vermeiden sollten

a) Unüberlegte Aussagen gegenüber der Polizei

Viele Mandanten machen den Fehler, schon bei der ersten Vernehmung ohne anwaltliche Beratung auszusagen. Dabei können vorschnelle Angaben später kaum korrigiert werden.

b) Kontaktaufnahme mit dem Belastungszeugen

Versuche, „die Sache zu klären“, wirken sich oft negativ aus und können als versuchte Einflussnahme gewertet werden.

c) Unterschätzung der Lage

Auch wenn „nur ein Wort gegen das andere steht“, ist die Gefahr einer Verurteilung real. Deshalb sollte sofort ein Strafverteidiger eingeschaltet werden.

 

6. Beispiel aus der Praxis (fiktiver Musterfall)

Ein Mandant wird beschuldigt, in einer Diskothek eine Frau geschlagen zu haben. Das angebliche Opfer behauptet, er habe ihr ins Gesicht geschlagen. Der Mandant bestreitet dies. Zeugen sind nicht vorhanden, Kameras auch nicht.

Das Gericht ordnet ein Glaubhaftigkeitsgutachten an. Dabei zeigt sich, dass die Angaben des angeblichen Opfers in mehreren Vernehmungen deutlich voneinander abweichen. Der Verteidiger weist zudem auf mögliche Motive für eine Falschbelastung hin. Das Ergebnis: Freispruch wegen nicht auszuräumender Zweifel.

 

7. Fazit: Aussage gegen Aussage – ein Fall für den Strafverteidiger

„Aussage gegen Aussage“ bedeutet nicht automatisch einen Freispruch, aber auch nicht zwangsläufig eine Verurteilung. Entscheidend ist eine professionelle Verteidigungsstrategie, die die Schwächen der Beweislage aufzeigt und konsequent die Rechte des Beschuldigten wahrt.

Wer mit einem Strafverfahren konfrontiert ist, sollte frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ein erfahrener Rechtsanwalt für Strafrecht kennt die rechtlichen Feinheiten, weiß, wie Gerichte urteilen, und kann so die bestmögliche Verteidigung sicherstellen.

Sie benötigen eine Beratung? Kontaktieren Sie uns über:

oder unser Kontaktformular.

Sie benötigen Hilfe auf einem anderen Rechtsgebiet? Hier finden Sie eine Übersicht. 

Hinweis: Der Beitrag wurde teilweise mit KI erstellt.